Am Busbahnhof wurden wir wie gewohnt vom windigen Wetter in Patagonien empfangen und liefen mit unseren französischen Freunden, Matthieu und Helene durch das Städtchen zum vorgebuchten Hostel „Sendero“. Juan, der etwas verrückte und meist fluchende Inhaber, empfing uns mit breitem Grinsen und zeigt uns unsere fast sauberen Zimmer ;-). Wir stellten unsere Taschen nur kurz ab und trafen uns gleich wieder im Foyer bei Juan, wo wir eine kurze Übersicht über den W-Trek im Torres del Paine Nationalpark erhielten. Natürlich waren Juans Erläuterungen nur so gespickt von sarkastischen Witzen, aber das heiterte uns wenigstens ein bisschen auf. Nachdem wir von diversen Personen bereits gehört hatten, dass fast alles ausgebucht sei, waren wir nämlich ein bisschen angespannt. Immerhin wollten wir auf eine viertägige Wanderung (~80 km) gehen und brauchten dazu nebst der Verpflegung auch jeweils eine Unterkunft und diverse Transportmittel.
Die Tour zu organisieren war dann auch wirklich nicht einfach. Die Unterkünfte im Park werden insgesamt von drei unterschiedlichen Organisationen (zwei für Hütten/Camping mit Zelt und eine für Freecamping) bewirtschaftet, welche an unterschiedlichen Standorten in der Stadt ihre Büros haben. Wir hetzten also zum ersten Büro (Fantastico Sur) und erfuhren dort nach kurzer Wartezeit, an welchen Tagen die Unterkünfte für die ersten beiden Wandertage frei sind. Um definitiv zu buchen, mussten wir aber zuerst wissen, ob die dritte Nacht auch noch frei ist. Also ging es los zur nächsten Organisation (Vertige) acht Strassen entfernt. Pffff... die nächste Warteschlange und viele Backpacker, die allesamt über das gleiche ärgerliche Organisationsdrama diskutierten. Immerhin passte dann der erwünschte Termin und wir konnten ein Zelt vor Ort inklusive Schlafmatte und Schlafsack reservieren. So müssen wir während der Wanderung weniger schleppen. Ein kurzer Sprint später waren wir zwei Minuten vor Feierabend wieder im ersten Büro angelangt und buchten dort dann noch für die ersten zwei Nächte ein ausgestattetes Zelt. Glücklich, dass nun doch alles so gut geklappt hatte, gönnten wir uns erstmal einen Burger und planten bereits die Einkaufsliste für den in drei Tagen anstehenden Hike.
Mit unseren französischen Freunden verbrachten wir drei kurzweilige, aber stürmische und regnerische Tage und waren froh, dass wir noch nicht im Zelt übernachten mussten. Spannend wurde es jeweils im Gespräch mit anderen Reisenden. So z. B. auch mit einem Amerikaner, der um Mitternacht mitten im Flur fluchend sein Gepäck ausbreitete und uns verzweifelt mitteilte, dass sein Wanderrucksack einfach die Aufnahme aller seiner Utensilien verweigere. Wir staunten aber auch ab anderen Wanderern, die die Wanderung in voller Montur mit Tramper Rucksack machten uns sogar für Konfitüre, Kaffee usw. problemlos Platz fanden.
Dann war es endlich soweit und der Transferbus fuhr uns in drei Stunden in den Nationalpark Torres del Paine. Gemäss Prognose hätte sich das Wetter ab heute verbessern sollen, aber... starker Wind und leichter Eisregen machte uns den Ausstieg aus dem Bus nicht gerade einfach. Mit dem Katamaran ging es aber sofort weiter zum Paine Grande Camping wo wir sofort unser Zelt bezogen. Noch bevor unsere Mitreisenden ihr Zelt aufgestellt hatten, waren bereits unsere 33l Rucksäcke deponiert und wir wanderten mit den zwei kleinen Wanderbeutel und ein wenig Verpflegung los.
Die anstehende Wanderung zum Grey Glacier von ~24 km Gesamtlänge wollten wir an diesem Nachmittag unbedingt schaffen und so liefen wir trotz feinem Dauerregen los. Patagonien hatte sich für diesen Tag einiges an Überraschungen ausgedacht und so wechselten wir mehrmals unsere Kleiderschichten, da sich Sonne, Regen, Schneefall und starke Böen regelmässig abwechselten. Aber... mit unseren guten Kleidern war dies kein Problem und Mirjam freute sich umso mehr, dass die in Ushuaia erworbenen Regenhosen nicht umsonst gekauft waren. Trotz nicht so optimalem Wetter konnten wir die wunderschöne Natur und schlussendlich einen hellblauen Gletscher im Sonnenschein bewundern. Kurz vor 9.00 Uhr am Abend hatten wir es zurück ins Camp geschafft und kochten uns leckere Pasta auf unserem neu gekauften Campingkocher. Einfach herrlich, etwas so gut duftendes zu essen und sich auf den morgigen Tag zu freuen... die Sonne sollte dann ganztägig scheinen :-).
Die Nacht war „kackio“ [kackio = Hinterlassenschaft eines Tieres, ausgesprochen mit ital. Akzent]. Mirjam hatte sich erkältet und litt an starken Halsschmerzen. In drei Zelten rund um uns herum schnarchte es zusätzlich laut im Kanon. Hauptgrund für „kackio“ war aber der Schlafsack von Mirjam, der nicht gewaschen war und so höllisch nach Schweiss stank, dass wir diesen nicht gebrauchen konnten und gemeinsam bei einer Saukälte in einem Schlafsack „übernachteten“.
Wie prognostiziert wanderten wir am nächsten Tag bei herrlichem Sonnenschein für erneute ~20 km zum Camp Francais. Entlang dem kalkblauen See schlängelte sich der Wanderweg in Richtung Valle Francais wo wir zwischen den watteförmigen Wolken auch ab und zu bereits einen Gipfel der bis zu 1000 m steil abfallenden Granitfelsen erhaschen konnten. Unglaublich dieses Panorama! Im Camping liessen wir uns dann am frühen Nachmittag das am weitesten entfernte Zelt zuweisen, rochen skeptisch an unseren Schlafsäcken und kochten uns ein feines Pilzrisotto zum Abendessen. Die Nacht war herrlich :-).
Der dritte Tag führte uns aus dem Tal heraus zum Camp Torres, welches sich sozusagen auf der anderen Seite des Nationalparks befindet. Von dort aus starten die meisten Touristen ihre Tagestour zu den „Torres-Gipfel“, was auch für unseren vierten Tag der Plan war. Unsere mittlerweile etwas müden Knochen hatten besonders mit den letzten paar km zu kämpfen und der aufkommende Gegenwind, gespickt mit kalten Regentropfen, motivierte uns nicht besonders. Trotz der herrlichen Landschaft glaubten wir, dass wir den Zeltplatz wohl nie mehr erreichen würden. Müde erreichten wir an diesem wiederum herrlichen Abend endlich unser sehr kleines Zelt und genossen nach drei Tagen endlich wieder eine warme Dusche in der luxuriösen Unterkunft 100 m neben dem Zeltplatz. Mit Mathieu und Helen leisteten wir uns an diesem sonnigen Abend zur Stärkung noch ein feines Essen im überfüllten Restaurant. Erst Wochen später merkten wir dann, dass wir an diesem Abend das wohl bekannteste Dessert in Chile verspeisten. Es handelte sich dabei um eine im Süsswasser und Haferflockenbrei eingelegte Pfirsich und schmeckte uns nicht besonders :-D.
Unser letzter Tag im Nationalpark startete um 6:00 Uhr morgens. Wir wollten vor dem Tagestourismus den Gipfel erreichen und somit ohne Stau wandern können. Obwohl die Wetterprognosen starken Wind prognostiziert hatten, waren wir bereits nach ein paar Metern enorm überrascht. Windböen von über 90 km/h wehten uns beim Laufen fast rückwärts und machten ein Einatmen für kurze Zeit fast unmöglich. Die einzige Möglichkeit in einem solchen Moment war für uns, kurz anzuhalten, umzudrehen und die Böen vorbeiziehen zu lassen. So schritten wir langsam und immer entgegen den Wind den Berg hoch. Unsicher, ob wir es heute überhaupt zu den Gipfeln schaffen würden, diskutierten wir natürlich auch mit anderen Wanderern, die „aufgaben“ und bereits nach ein paar Kilometern kehrt machten.
Ja, wir merkten bald... das heutige Tagesziel wollte uns der Berg nicht einfach so überlassen. Nach einer kurzen Pause in einer Berghütte liefen wir weiter durch Wälder bis zur Baumgrenze, wo wir schliesslich dem Regen/Schneefall ganz ausgeliefert waren. Aber: Einmal vor den „Torres“ Gipfeln und im Windschatten eines Felsen angekommen, verzogen sich sogar die Wolken "fast" gänzlich und wir genossen beim feinen Sandwich und gefrorenen Fingern die umwerfende Aussicht.
Den Rückweg brachten wir dank starkem Rückenwind schnell hinter uns. Zum Abschluss des W-Treks genossen wir zurück im Camp Torres mit Helene und Mathieu das in diesem Moment am weltbest schmeckende Bier in der Sonne :-) Patagonien du bist unglaublich!
An diesem Tag beendeten wir unsere bisher längste Wanderung. Vier Tage, drei (Zelt-)Nächte und ~80 km Marsch. Erinnern werden wir uns für immer an ein raues, abwechslungsreiches Wetter und eine einzigartige und wunderschöne Naturlandschaft. Wer die Chance kriegt, diesen Trek zu laufen, gehört aus unserer Sicht zu den privilegiertesten Wanderern* dieser Erde.
*Zwei Wochen später trafen wir eine Reisende in Santiago de Chile, welche nach zwei Tagen aus Puerto Natales wieder abreisen musste. Der Trek war völlig ausgebucht und in der Stadt kein einziges Bett mehr frei...
W-Treck im Nationalpark Torres del Paine |
Puerto Natales |
Trainingseinheit vor dem W-Trek ;-) |
Teil des "Hafens" in Puerto Natales... |
Am Start des W-Treks...weshalb wir bei Eisregen lachen ist aber unklar :-D |
Frisches Wasser aus dem Bergbach...herrlich und Teil unserer Nahrung für 4 Tage! |
1.Tag: Grey Glacier |
500g Pasta zum Abendessen... nach ~24 km lediglich ein "Appetizer"... |
2. Tag: Start beim Paine Grande Camp, irgendwo im Nebel das Valle Francais |
Mist... schon wieder ein Daumenabdruck auf der Linse :-/ .. die Wolken hier sind einfach fantastisch! |
Blauer Himmel im Valle Francais... Schön! |
Aussicht aus dem Valle Francais |
Phu...Sonnenbaden und Ausruhen tut sooooo gut :-) |
Camp Francais. Ganz oben, weit hinten ist unser Zelt :-) |
3.Tag: Auf dem Weg zum Camp Torres. |
Juhuii...endlich im Camp Torres (im Hintergrund) angekommen... |
Unsere heute etwas sehr kleine Unterkunft. Das Bad ist übrigens hinten links :-) |
Jeah...trotz Sturm und Regen: wir haben es geschafft!!! |
Die Torres fast ohne Wolken... |
"Ufff... meine Knochen schmerzen, aber ich lass mir nichts anmerken...lalala juppiduu" |
"Hmmm...ich weiss genau der blufft nur... ." |
Ein letzter Blick zurück... |
Gemeinsames Anstossen auf ein gelungenes Abenteuer im Torres del Paine National Park |
Bye bye Torres del Paine - wir werden dich nie vergessen!!! |
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